Die Weise
von Liebe und Tod des Cornets
Christoph Rilke

von

Rainer Maria Rilke

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Im Insel-Verlag zu Leipzig

Geschrieben 1899

[5]»... den 24. November 1663 wurde Otto vonRilke / auf Langenau / Gränitz und Ziegra / zu Lindamit seines in Ungarn gefallenen Bruders Christophhinterlassenem Anteile am Gute Linda beliehen; dochmußte er einen Revers ausstellen / nach welchem dieLehensreichung null und nichtig sein sollte / im Fallesein Bruder Christoph (der nach beigebrachtem Totenscheinals Cornet in der Kompagnie des Freiherrn vonPirovano des kaiserl. österr. Heysterschen Regimentszu Roß .... verstorben war) zurückkehrt ...«

[7]Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht,durch den Tag.

Reiten, reiten, reiten.

Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsuchtso groß. Es gibt keine Berge mehr, kaum einenBaum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hüttenhocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgendsein Turm. Und immer das gleiche Bild. Man hatzwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmalglaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehrenwir nächtens immer wieder das Stück zurück, daswir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben?Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei unstief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschiedgenommen. Die Kleider der Frauen leuchtetenlang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Esmuß also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurigeFrauen von uns wissen.

[8]Der von Langenau rückt im Sattel und sagt: »HerrMarquis ...«

Sein Nachbar, der kleine feine Franzose, hat erstdrei Tage lang gesprochen und gelacht. Jetzt weißer nichts mehr. Er ist wie ein Kind, das schlafenmöchte. Staub bleibt auf seinem feinen weißen Spitzenkragenliegen; er merkt es nicht. Er wird langsamwelk in seinem samtenen Sattel.

Aber der von Langenau lächelt und sagt: »Ihr habtseltsame Augen, Herr Marquis. Gewiß seht IhrEurer Mutter ähnlich –«

Da blüht der Kleine noch einmal auf und stäubtseinen Kragen ab und ist wie neu.

[9]Jemand erzählt von seiner Mutter. Ein Deutscheroffenbar. Laut und langsam setzt er seine Worte.Wie ein Mädchen, das Blumen bindet, nachdenklichBlume um Blume probt und noch nicht weiß, wasaus dem Ganzen wird –: so fügt er seine Worte.Zu Lust? Zu Leide? Alle lauschen. Sogar das Spuckenhört auf. Denn es sind lauter Herren, die wissen,was sich gehört. Und wer das Deutsche nicht kannin dem Haufen, der versteht es auf einmal, fühlt einzelneWorte: »Abends« ... »Klein war ...«

[10]Da sind alle einander nah, diese Herren, die ausFrankreich kommen und aus Burgund, aus denNiederlanden, aus Kärntens Tälern, von den böhmischenBurgen und vom Kaiser Leopold. Denn wasder Eine erzählt, das haben auch sie erfahren undgerade so. Als ob es nur eine Mutter gäbe ...

[11]So reitet man in den Abend hinein, in irgend einenAbend. Man schweigt wieder, aber man hat die lichtenWorte mit. Da hebt der Marquis den Helm ab.Seine dunklen Haare sind weich und, wie er das Hauptsenkt, dehnen sie sich frauenhaft auf seinem Nacken.Jetzt erkennt auch der v

...

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